Zum erneuten Lockdown: Kapitalismus ist der Virus

Seit Montag befinden wir uns im zweiten staatlich verordneten „Lockdown“. Soziale Kontakte sollen wir einschränken, kulturelle Angebote wurden geschlossen, Arbeiten sollen wir aber weiter. Als Kiezkommunen aus Berlin und Magdeburg beziehen wir Stellung gegen diese Maßnahmen, die einzig und allein dazu dienen das kapitalistische Wirtschaftssystem aufrecht zu erhalten, und fordern gesellschaftliche Solidarität im Kampf gegen Individualismus, Isolation und das Corona-Virus.

Wir erkennen im sogenannten Krisenmanagement, dass eine Rettung der Wirtschaft über der Rettung von Menschen steht. Der Großteil von uns soll weiterhin der Lohnarbeit nachgehen, soll weiter zur Arbeitsstelle rennen, wo zur Beruhigung ein Desinfektionsmittelspender aufgestellt wird, oder sich zu Hause stundenlang vor dem Laptop verlieren. Tausende werden zum wiederholten Male innerhalb eines Jahres von heute auf morgen ihren ohnehin prekären Job verlieren. Gleichzeitig werden weitere Milliarden an Steuergeldern den „systemrelevanten“ Konzernen und Banken zugewirtschaftet.
Während wir unsere Familien und Freunde nicht mehr sehen dürfen, Gastronomie, Kultur und das soziale Leben eingestellt werden sollen, ist es erlaubt, Gottesdienste weiterhin abzuhalten oder durch Shoppingcenter zu schlendern. Die Regelungen bekommen einen stärkeren politischen Charakter, welcher all zu gern von der wissenschaftsfeindlichen Rechten aufgegriffen wird.
All diese Regeln werden kontrolliert und durchgesetzt von der Polizei. Sei es durch rassistische und absolut überzogene Kontrollen von Gastronomien und Spätis oder dadurch, dass hochrangige Gesundheitspolitiker*innen im Namen verstärkter Kontrollen die Unverletzbarkeit der eigenen Wohnung in Frage stellen. Treffen wird diese Kontrolle eben genau die Menschen, die eh schon marginalisiert, ausgebeutet, diskriminiert und unterdrückt werden.

Wir sitzen nicht alle im selben Boot.

Dass es uns im Kapitalismus so schwer fällt, auf diese Pandemie zu reagieren, hängt eng mit unserem Gesellschaftssystem als solchem zusammen. Industrielle Landwirtschaft und Urbanisierung bilden den Nährboden für solche Epidemien. Das ist seit langem bekannt!
Dass lebensnotwendige Bereiche wie Gesundheit, Wohnraum oder Nahrungsmittelversorgung der irrsinnigen Logik des kapitalistischen Marktes unterworfen wurden, macht es unmöglich, diese Krise global zu lösen.
Dem größten Teil der Menschheit steht schlicht keine adäquate Gesundheitsversorgung zur Verfügung, sie leben in beengten Wohnungen oder haben gar keine, sie sind gezwungen jeden Tag aufs neue zur Arbeit zu gehen, um sich und ihre Familien ernähren zu können und ihnen eine Unterkunft zu sichern.

Daher kämpfen wir dafür, dass die wirklich systemrelevanten Bereiche enteignet, der Allgemeinheit zugeführt und dauerhaft der Marktlogik entzogen werden, damit allen gleichermaßen ein guter Zugang zu diesen gewährt werden kann.

Die sozialen Folgen der Corona-Krise haben vor allem Frauen* zu tragen!

Bei Schließung von Kitas und Schulen fällt die Aufgabe, sich um Reproduktionsarbeit zu kümmern, also beispielsweise um Kinder und Haushalt, dreimal so stark Frauen* zu Füßen. Dass der seit dem 2.11. herrschende Lockdown in dieser patriarchalen Gesellschaft schwerwiegende Folgen haben wird, zeigen die während des letzten Lockdowns immens gestiegenen Zahlen häuslicher Gewalt und von Femiziden. Beengte Wohnverhältnisse und Existenzangst sind direkte Auslöser und zeigen einmal mehr weshalb diese Krise im Kapitalismus nicht lösbar ist.

Statt einer gesellschaftlichen Debatte und umfassenden Lösungen werden die Probleme isoliert betrachtet. Am Ende sollen wir die Rechnung zahlen, als Frauen*, als Arbeiter*innen, als Prekäre und Marginalisierte.

Wir werden weder auf die Rückkehr eines „Normalzustandes“ warten, noch werden wir uns von dieser Pandemie lähmen lassen. Wir wissen, dass die Antwort auf Isolation und Existenzsangst nur in klassenbewusster Solidarität, Organisierung und nachbarschaftlicher Unterstützung gefunden werden kann. Unterstützung im Alltag und soziale Kontakte unter Vorsichtsmaßnahmen beizubehalten sind wichtige Mittel gegen die Isolation. Nun ist es umso wichtiger, dass wir uns organisieren und aktiv bleiben, um die Last der Krise, die auf unseren Rücken abgewälzt werden soll, gemeinsam stemmen zu können und die gesellschaftlichen Verhältnisse zu ändern, die uns in diese Krise geführt haben.

Berlin / Magdeburg November 2020

Jugendkommune Kreuzberg
Frauen*kommune Wedding
Kiezkommune Magdeburg-Stadtfeld
Kiezkommune Friedrichshain
Kiezkommune Neukölln
Kiezkommune Wedding