Wen treffen die neuen Coronaregeln?
Seit Mittwoch gibt es eine neue Corona-Verordnung in Berlin und bundesweit. Darunter Schließung des Einzelhandels, Kontaktreduzierungen und Ausgangsbeschränkungen. Große Ausnahme dabei ist Weihnachten – dabei können sich, wenn alle Regelungen ausgenutzt werden, Familien mit bis zu 20 Personen sehen. Was also feststeht ist: Wenn man den Impfstoff außen vorlässt, werden die Ansteckungen nicht besonders schnell zurückgehen, Einschränkungen werden sich in die Länge ziehen, vielleicht nach Weihnachten nochmals verschärft werden.
Zurückdrängen in die häusliche Sphäre
Ausgangsbeschränkungen treffen viele Menschen auf unterschiedliche Weise. Das bedeutet für die einen, vor allem den älteren Teil der Bevölkerung, oftmals soziale Isolation, der Wegfall von jeder Möglichkeit andere Menschen zu treffen, der sich häufig auf Supermarktbesuche reduziert. Im Wedding bedeutet es aber oft auch das Gegenteil: In 10% der Wohnungen leben mehr als vier Personen zusammen, nirgendwo sonst in Berlin hat die einzelne Person weniger Wohnfläche zur Verfügung als in Neukölln und im Wedding. Psychischer Stress ist vorprogrammiert: Geschäfte sind geschlossen und somit fällt für viele der Arbeitsplatz weg, die Schulen sind zu, alle Kinder zu Hause. Mit 60% Kinder und Jugendlicher, die im Wedding in Armut aufwachsen, können sich Jugendliche meist keine eigene Wohnung leisten und leben lange bei den Eltern. All das zusammen und bei vielen noch der Feiertagsstress führen zu extremen Belastungen mit denen jede Familie meist allein gelassen wird. Besonders Frauen* sind davon betroffen, einmal durch die erhöhte Reproduktionsarbeit: Für alle Kochen, Putzen, ständige Kinderbetreuung. Doch im Lockdown erhöht sich vor allem die Gefahr von Männern zu Hause angegriffen zu werden, im Frühjahr stiegen die Zahlen der Gewalt gegen Frauen* um 8%, die Kindesmisshandlungen um 24%. Der psychische Stress wird an den Schwächsten innerhalb der Familien- oder Partnerschaftsverhältnissen ausgelassen.
Gewalt gegen Frauen* stoppen!
Auf die Zunahme von Gewalt während der Feiertage und nochmal mehr durch Corona wird in keinster Weise von staatlicher Seite reagiert. Frauen*häuser sind überfüllt, Kinderbetreuungen haben geschlossen, Hilfsangebote sind sehr eingeschränkt besetzt. Zudem muss die Situation, in der Wohnungslose sich gerade befinden thematisiert werden. Für sie ist ein Rückzug in den häuslichen Bereich nicht möglich, Schließungen von Läden und Hilfseinrichtungen führen dazu, dass es fast unmöglich ist einen sicheren Ort zu finden, an dem man sich Aufwärmen kann. Dieses Jahr sind schon fünf Wohnungslose in Berlin erfroren. Das Alkohol- und Ansammlungsverbot auf der Straße trifft auch genau die Personen, die sich nicht in die Wohnung zurückziehen können, es führt zu verstärkter Kontrolle und Polizeigewalt.
Seht oder hört nicht weg, wenn ihr von Situationen mitbekommt, in den Wohnungslose Hilfe benötigen oder schickaniert werden oder im eigenen Haus ein Streit tobt.
Die beengten Weddinger Wohnverhältnisse lassen sich nicht von heute auf morgen verbessern. Das ist klar. Sie zeigen aber doch, dass die Corona-Krise eben die unteren Klassen am härtesten trifft. Wir treten darum für eine Vergesellschaftung aller Wohnungsbestände ein und fordern eine selbstverwaltete Verteilung von Wohnraum nach Bedarf und nicht nach maximalem Profit. Die Reichen sollen zahlen! Gleichzeitig fordern wir den Weg der kommunalen revolutionären Frauen* und Jugendorganisierung vorzuschreiten, denn diese Praxis schafft das Bewusstsein um die Weddinger Wohnverhältnisse zum Tanzen zu bringen.
Kommission für Wohnen der Kiezkommune Wedding