Seit 2018 organisieren wir, die Gruppe Ella Trebe und Kiezkommune Wedding, uns im Berliner Bezirk Wedding. Von einer handvoll Aktivist:innen haben wir uns zu einer lebendigen Initiative in der Nachbarschaft entwickelt. Wir konnten ein eigenes Nachbarschaftszentrum im Badstraßenkiez eröffnen und sind in regem Austausch mit einem stetig wachsenden Netzwerk an Nachbar:innen und anderen Aktiven im Bezirk und darüber hinaus.
In dieser Zeit ist viel passiert, viele Diskussionen wurden geführt und wir haben Erfahrungen ausgewertet. Einen Zwischenstand und die Entscheidung, dass wir nicht mehr Teil des bisherigen Verbunds der Kiezkommunen sind, dass es diesen Verbund in Berlin generell nicht mehr gibt und wir uns mit dem Bund der Kommunist:innen, einer neu gegründeten Organisation zusammenschließen, wollen wir hiermit öffentlich machen.
Unser Ausgangspunkt für den Beginn der Arbeiten im Rahmen der Kiezkommunen hat sich indes nicht sonderlich verändert. Die Entfremdung der Linken von der proletarischen Klasse ist auch weiterhin offensichtlich. Sie zeigt sich derzeit auch in den hilflosen Antworten auf drängende Fragen wie dem Umgang mit der Corona-bedingten Inflation- und Wirtschaftskrise. Der Aufbau „realer“ proletarischer Gegenmacht durch Arbeit mit und in der Klasse hat oberste Priorität für uns. Verbessert haben sich hingegen unsere Möglichkeiten, nun auf Grundlage realer Erfahrungen, erste organisatorische wie taktische Veränderungen vorzunehmen, damit unsere Arbeit in Zukunft möglichst erfolgreicher verläuft.
Eine immense qualitative wie quantitative Verbesserung brachte uns unser Stadtteilzentrum. Einen konkreten Ort zu haben, an den Menschen eingeladen werden können und der offen und ansprechend wirkt, ist aus unserer Sicht zentral um als handlungsfähige Organisation im Kiez wahrgenommen zu werden und neue Kontakte zu knüpfen. Allerdings stellt sich diese Situation nicht von heute auf morgen ein und bedarf der intensiven Anwesenheit von Genoss:innen – mindestens wöchentlich, bestenfalls täglich, denn viele unserer besten Kontakte entstehen spontan und durch Zufälle. Gleichzeitig reicht die Hoffnung, dass Nachbar:innen einfach kommen bei weitem nicht aus. Das aktive Zugehen auf Menschen durch Haustürgespräche, Kiezspaziergänge oder Info-Tische – das Gespräch auf der Straße – ist ein zweites Standbein welches dauerhaft und regelmäßig stattfinden muss. Dabei bestätigte sich, und das Konzept Kiezkommune formulierte es bereits, dass „[wir] einen konkreten Nutzen für die Menschen haben [müssen], um gesellschaftlich relevant zu werden.“ Die Schaffung von konkreten, nützlichen Angeboten wie Nachhilfe, Lebensmittelverteilung, Beratung oder kulturellen Angeboten ist hilfreich und notwendig damit Menschen auf die Einladungen reagieren. Können wir jedoch keine weiteren Nachbar:innen in die Organisierung solcher Angebote einbinden, verbleiben sie im Zustand von Nischenangeboten, die sich in Konkurrenz zu staatlichen oder staatlich finanzierten Angeboten befinden. Das Label der Selbstorganisierung verkommt dann zu einem Selbstzweck und bildet eine weitere scheinbare Insel im kapitalistischen Alltag.
Um den Bogen wieder zurück zu spannen. Die beschriebenen Notwendigkeiten setzen eine komplette Fokussierung der gesamten Gruppe auf diese Art der politischen Arbeit voraus, in welcher sich Erfolge nicht kurzfristig einstellen. Diese Fokussierung und auch die Frage was als Erfolg betrachtet wird, ist eng damit verknüpft was als linke Politik verstanden wird, also auch mit der Frage nach politischem Bewusstsein. Das wiederum stellt uns vor die Frage wer sich in den Kiezkommunen bisher organisiert. So wie wir das beurteilen können, handelt es sich sowohl bei uns als auch in allen anderen Kiezkommunen, bisher fast ausschließlich um anpolitisierte, meist akademisch gebildete Linke, welche eine bestimmte Herangehensweise an linke Politik mitbringen.
Diese Herangehensweise steht an vielen Stellen oft unbewusst im Widerspruch zu den Notwendigkeiten der Fokussierung und der Priorisierung revolutionärer Basisarbeit. Gleichzeitig müssen wir uns wohl eingestehen, dass der Aufbau von Gegenmacht und die Verbreitung der Idee von kommunaler Selbstorganisierung in Räten und Kommunen in der Nachbarschaft eines weiteren Zwischenschrittes bedarf. Das was wir bisher als Kiezkommune bezeichnen ist keine Kommune in unserem Verständnis, sondern hat vielmehr den Charakter eines Komitees zum Aufbau der Kommune, denn eine Selbstorganisierung der Nachbarschaft, der breiten Klasse, findet dort bisher nicht oder nur marginal statt. Diese Unterscheidung mag banal klingen hat aber für uns durchaus organisatorische Konsequenzen, wenn es um die Korrdination der einzelnen Arbeitsfelder und Stadtteile geht. Aber auch in der Entwicklung einer gemeinsamen Strategie. Wie dies gestaltet sein sollte und welche Probleme und Anforderungen damit einhergehen, sehen wir im Konzept Kiezkommune bisher nicht ausreichend analysiert.
Neben dieser konzeptuellen Kritik des bisher verwendeten Begriffs der Kiezkommune, kritisieren wir, die aus unserer Sicht nicht ausreichende Fokussierung auf die realen Begebenheiten in den jeweiligen Stadtteilen. Nur eine stärkere Einbindung der Nachbarschaft eröffnet überhaupt die Möglichkeit, dass sich Kommunen oder Räte gründen. Der Weg zu anderen linken Veranstaltungen, Demos oder Vernetzungstreffen war aber leider immernoch kürzer als zu den eigenen Nachbar:innen und Kolleg:innen. Diese Kritik richtet sich in noch schärferer Form auch an uns selbst. Diese selbst geschaffene Realität verhindert den politischen Kampf mehr als sie ihm nützt.
Eine weitere Unschärfe des Konzept Kiezkommune, die für uns gelöst werden musste, ist die Art der Verknüpfung der Kiezkommunen. Gegründet und aufgebaut durch die Gruppe radikale linke | berlin [RLB], ist diese ihrem Zweck der Koordination und Leitung der einzelnen Kiezkommunen über die Jahre immer weniger nachgekommen und beendete ihr dasein mit einem kürzlich veröffentlichten inoffiziellen Auflösungsschreiben. Diese Kritik verneint allerdings nicht die Notwendigkeit einer Organisation, die als verbindendes Organ zwischen revolutionärer Stadtteilarbeit und anderen gesellschaftlichen Kampffeldern fungiert und diese in einer umfassenden revolutionären Strategie verbindet. Vielmehr stellten wir fest, dass es konkrete qualitative Ansprüche an eine solche Organisation gibt. Diese Ansprüche überschritten die Möglichkeiten einer Gruppe mit postautonomen Charakter. Diese Einsicht wurde im bisherigen Rahmen der Kiezkommunen von einem Teil der Mitglieder in Frage gestellt. Da es sich allerdings um eine zentrale organisatorische Frage handelt, musste sie geklärt werden. Da sich kein Konsens finden ließ, führte diese Entscheidung schlussendlich zur Auflösung des bisherigen Berliner Rahmens der Kiezkommunen und einer Umorganisierung. Im Anschluss gründete sich der Bund der Kommunist:innen, der sich als eben dieses verbindende Organ zwischen Stadtteilarbeit und anderen Kampffeldern versteht.
Mit der Auflösung des Projekts in Berlin werden wir uns als Gruppe Ella Trebe und Kiezkommune Wedding fortan gemeinsam mit dem Stadtteilkomittee Neukölln und dem Stadtteilkomittee Lichtenberg mit dem Bund der Kommunist:innen organisieren und unsere Erfahrungen in einem weiterentwickelten Konzept zu revolutionärer Stadtteilarbeit einfließen lassen. Zu unseren Genoss:innen der Kiezkommune Magdeburg-Stadtfeld werden wir ein enges, organisiertes und geschwisterliches Verhältnis beibehalten und verstehen uns als Teil eines gemeinsamen Kampfes für den Aufbau proletarischer Gegenmacht im Stadtteil. Die Kiezkommune Kreuzberg und andere Gruppen, die sich auf diesen Namen beziehen, gehören ohne einer offiziellen Verlautbarung von unserer Seite oder der Kiezkommune Magdeburg-Stadtfeld nicht zu unserem Verband und stehen nicht in Kontakt mit uns.
Allen Genoss:innen, deren Wege sich von unseren getrennt haben, wünschen wir von ganzem Herzen viel Erfolg im politischen Kampf.
Mit solidarischem Gruß
Gruppe Ella Trebe und Kiezkommune Wedding
Homepage: Bund der Kommunist:innen